Bild 5 | © A. Robota

Zum Wandern auf den Mars

Auf der Alta Via Alpi Biellese (01.07. - 08.07.23)

11.10.2023

Inspiriert durch einen Beitrag in der Panorama, dem Magazin des DAV, erkundete die Hochturengruppe auf einer einwöchigen Wandertour das Gebirge zwischen dem piemontesischen Biella und dem Aostatal.

Tourenbericht: Arnim Robota

Die Hochtourengruppe des DAV Solingen setzt sich bei ihren Treffen gegen Ende jeden Jahres zusammen, um die Tourenplanung für das darauf folgende Jahr zu besprechen. Für 2023 war die sog. „Spaghettirunde“ durchs Monte-Rosa-Massiv als Hochtour praktisch schon gesetzt. Diese Hochtour durch die 4000er musste 2022 auf Grund eines Coronaausbruchs abgebrochen werden, so dass ein erneuter Anlauf Konsens war. Schnell hatten wir uns darauf geeinigt, dass eine Woche Akklimatisierungstour eine gute Idee wäre. Letztendlich nahmen wir Wolfhards Vorschlag für die Tour an, wie sie auch schon in der Panorama 4/22 beschrieben wurde.

Die Hochtour führt entlang des Kammes zwischen dem piemontesischen Biella und dem Aostatal. Geplant über 6 Tourentage startet die Tour in Sanctuario di Graglia. Das Vorhaben war auf große Resonanz getroffen, so dass unsere Gruppe tatsächlich 15 Teilnehmer und Teilnehmerinnen umfasste, die aus verschiedenen Richtungen zum Sanctuario anreisten. Nachdem alle eingetroffen waren und wir den Schlafsaal im Pilgerquartier bezogen hatten, konnten wir den Tourenstart mit einem opulenten Dinner feiern.

 

 

Teilnehmer*innen: Fred Bühler, Martina Dembny, Uwe Dembny, Eberhard Evertz, Peter Kaufmann, Andreas Kress, Jürgen Meyer, Kerstin Meyer, Gerlinde Neumann, Arnim Robota, Elke Robota, Wolfhard Schwarz, Anke Steinfeld, Ioana Tescoveanu, Michael Vogel 

Am ersten Tourentag, einem Sonntag, wurde es ernst. Im Aufstieg zum Rifugio Mombarone mussten fast 1.500 Hm absolviert werden, so dass prompt auch die ersten zwei Teilnehmer aufgeben mussten und zurück zum Sanctuario liefen. Der Hauptteil der Gruppe kam gut auf dem Rifugio an. Da es früh genug war, konnte begleitet durch immer wieder hereinziehende Wolkenschwaden noch der Aufstieg zur Marienstatue auf der Punta die Tre Vescovi in 2.347 m Höhe gewagt werden.

 

Am zweiten Tag war morgens der Blick auf das Monte Rosa Massiv zu bewundern. Der Weg führte entlang des Gebirgskammes über den 2.318 m hohen Mont Roux zum Rifugio Coda (2.280 m). Dieses Refugio ist eines der rustikalen Sorte. Wasser ist wie auf vielen Hütten der Südalpen Mangelware, aber der Ausblick über das Aostatal auf die 4000er des Monte-Rosa-Massivs ist atemberaubend.

 

 

 

Als die Wolken aufrissen, war auch das Matterhorn zu erkennen. 

 

Gegen Abend konnten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang genießen und die Wolkenformationen bewundern, die sich als Vorboten eines Gewitters bildeten. Ach so, auch die zwei verlorengegangenen Wanderer waren wieder zur Gruppe hinzugestoßen, nachdem sie die 1.100 Hm vom Sanctuario di Oropa bezwungen hatten. Die Seilbahn von Oropa hatte leider im Frühjahr den Betrieb einstellen müssen – möglicherweise eine Konsequenz des Seilbahnunglücks 2021 am Monte Mattarone. Abends konnten wir Zuccherini kosten, in hochprozentigem Alkohol eingelegte Zuckerstücken in den verschiedensten Aromen.

 

 

Am nächsten Morgen empfing uns strahlender Sonnenschein und blauer Himmel. Die nächste Etappe sollte uns weiter über den Kammweg auf einen interplanetaren Ausflug führen. Gemeint ist die höchste Erhebung der Alta Via, den Monte Mars mit seinen 2.600 Metern.

 

Der Weg führte, teilweise am Fixseil und mit leichten Kletterpassagen über den Kamm. Leider waren in der Zwischenzeit Wolken hereingezogen, so dass die Hoffnung auf die ersehnte Fernsicht nicht erfüllt wurde. Das Ziel war diesmal das erst 2000 erbaute, architektonisch interessante Refugio Barma, die mitten im Naturschutzgebiet gelegen ist. Da wir die Hütte bereits am frühen Nachmittag erreichen konnten, hatten wir bei freundlichem Wetter die Möglichkeit das Hochtal mit dem kleinen Bergsee zu erkunden oder einfach an den Panoramafenstern in der Hütte zu sitzen und zu chillen. 

 

 

Das Abendessen, welches wir alle 15 gemeinsam an einem großen Tisch einnehmen konnten, stellte sich dann auch als Höhepunkt der Hüttengastronomie unserer Tour heraus.

Der nächste Morgen bescherte uns erst einmal blauen Himmel und einen grandiosen Blick auf das Wasser des Lago della Barma, in dem sich die Bergkulisse spiegelte. Wir hatten uns darauf geeinigt, die Refugio Lago della Vecchia nicht über den Kammweg zu erreichen, sondern den Monte Pietra Bianca auf der Ostseite zu umgehen. Im Nachhinein wäre der Weg über den Kamm vielleicht die einfachere Variante gewesen. Anfänglich konnten wir über gut markierte Bergwanderwege laufen, aber irgendwann mussten wir uns aus einem Abstieg nordwärts orientieren. Komoot hätte uns in unbegehbares Gelände geführt, aber ein Weg weiter oberhalb führte in die richtige Richtung. Leider stimmte die Markierung des Weges nicht mit der auf der Karte überein. Je weiter wir uns fortbewegten, umso spärlicher wurden die Markierungen und ein Weg war bald nicht mehr zu erkennen. Nach der Überschreitung eines Passes entdeckten wir die weiterführende Wegmarkierung erst nach längerer Suche. Und so ging es weiter, in gefühlt weglosem Gelände mit spärlichen Markierungen. Umso glücklicher war der Zufall auf einer der Almen einen jungen Bauern zu treffen. Er war verwundert, weil er auf dieser Alm noch nie einen Wanderer getroffen hätte. Er konnte uns aber den weiteren Weg zum Refugio beschreiben.

So erreichten wir froh, aber erschöpft die Refugio Lago della Vecchia. Das erste Bier oder Radler verdampfte regelrecht im Körper. An diesem Abend hatten wir leider keine Fernsicht, weil das Tal in den Wolken hing, aber einen Abendspaziergang zum zauberhaften Lago della Vecchia lohnte sich trotzdem. 

Der nächste Morgen entschädigte uns mit strahlendem Sonnenschein und wir konnten unser Frühstück auf der Terrasse der Hütte genießen. Die Pächter bewirtschafteten die Hütte den ersten Sommer, deshalb lief die Bewirtung etwas chaotisch, aber trotzdem gutgelaunt ab.

Der Abstieg nach Piedicavallo entlang des Torrente Servo war reines Genußwandern bei schönstem Wetter entlang des gut ausgebauten Bergwanderweges. Von Piedicavallo stiegen wir in den Bus Richtung Rossaza und konnten die Fahrkünste des Busfahrers bewundern, der seinen Bus durch die teilweise extrem engen Gassen der Dörfer steuerte – es waren an einer Stelle nur wenige Zentimeter zwischen Bus und Hauswänden.

In Rosazza angekommen stieg der größere Teil der Gruppe aus und nahm die verbleibenden ca. 10 km zu Fuß in Angriff. Der kleinere Teil blieb im Bus sitzen und fuhr über Biella bis zum Tagesziel. Leider wurden die Wanderer nach 1/5 der Strecke vom Regen überrascht und wir mussten zum ersten Mal auf der Tour unsere Regenkleidung benutzen. Nach einer Stunde hörte der Regen auf. Da wir jetzt in tieferen Regionen inmitten recht dichter Vegetation unterwegs waren, wurde es dann eher von unten nass. Irgendwann sahen wir dann durch die Bäume die beeindruckende Anlage des Sanctuario di Oropa, welches als UNESCO Weltkulturerbe geschützt ist. Das Sanctuario ist eines der wichtigsten Heiligtümer Italiens und umfasst zwei Kirchen, darunter eine Basilika mit einer Kuppelhöhe von 80 m. Die alte Wallfahrtskirche beherbergt die gotische Statue der Schwarzen Madonna aus der ersten Hälfte des 14. Jh. Ergänzt wird das Ensemble durch umfangreiche Anlagen zur Aufnahme von Touristen und Gläubigen, in der auch wir eine Unterkunft fanden.

Der letzte Tourentag schloss die Runde um die Alpe Biellese und führte wieder zum Ausgangspunkt, dem Sanctuario di Graglia. Von Graglia aus setzten wir uns in unsere notdürftig vom Taubendreck befreiten Autos und fuhren zu unserer letzten Übernachtung, einem eher abgelegenen Landhotel „Cascina Foresto“, wo wir noch mit einem Prosecco und einem kleinen Imbiss überrascht wurden. Zum Abendessen in einem Vorort von Biella konnten wir gutgelaunt die Tour resümieren, die bei allen Teilnehmern gut angekommen war. Noch einmal einen herzlichen Dank speziell an Wolfhard, der wieder den Aufwand für die Planung und Organisation auf sich genommen hatte. Am nächsten Morgen trennten sich unsere Wege. Während sich ein Teil der Gruppe auf den Heimweg machte, begaben sich die „Hochtourengeher“ auf den Weg nach Greyssoney, um die Spagettirunde in Angriff zu nehmen. - Aber das beschreibt ein anderer Beitrag...