Liskamm | © Frank Hofmann

Die Hochtourengruppe des DAV-Solingen zu Gast bei der "Königin der Berge Europas"

4000er-Sammeln im Monte-Rosa-Massiv (08.-15.07.23)

17.09.2023

Tourenbericht von: Kerstin Meyer



Teilnehmer*innen: Kerstin Meyer, Anke Koch, Ioana Tescoveanu, Christian Honert, Christian Visser, Frank Hofmann, Peter Kaufmann, Andreas Kress, Wolfhard Schwarz

Von der vorangegangen Hüttentour durch die Bielleser Alpen (01.-08.07.23) hoffentlich ausreichend akklimatisiert, machten wir uns am Sonntag, 09.07.23, von Greyssoney/Stafal mit der Seilbahn zum Indrengletscher auf. 1,5 h und 350 hm später fanden wir uns am späten Vormittag bereits auf der Gnifetti-Hütte – unserem Quartier für die Touren der nächsten Tage - wieder. Der Weg dorthin war über den gut zu begehenden Gletscher und eine kurze, versicherte Kletterpassage problemlos zu bewältigen.

Was also noch den lieben langen Nachmittag auf der Hütte anstellen? Schnell kam die Idee auf, die für Montag geplante „Einroll-Tour“ auf die Vincent-Pyramide schon am Sonntag zu bewerkstelligen. Gesagt, getan – Tagesrucksack gepackt und los ging´s bei bestem Wetter. Der zweistündige Weg mit 600 hm war unschwierig über schneebedeckte Gletscher bis auf das große Plateau der Vincent-Pyramide zu gehen. Langsam keuchten wir uns in der dünnen Luft voran und fanden unseren Rhythmus. Wahnsinn, welche Ausblicke sich ringsum boten! Vor allem befand sich dieses Jahr einiges mehr an Schnee auf den Gletschern als letztes Jahr – eine ganz andere Welt!

Stolz, die erste Tour gemeistert zu haben, konnten wir bereits am Dienstag die Signalkuppe mit der höchstgelegenen Schutzhütte Europas, der Capanna Regina Margherita (4.554 m), angehen. Eigentlich waren nach einer heißen Ministrone auf 4.500 m noch die danebenliegenden Gipfel Parrotspitze und Zumstein geplant, aber die Parrotspitze war uns nach dem fast 1.000 hm umfassenden Aufstieg und unserem eher späten Aufbruch um 7 Uhr zuviel. Also pirschten wir uns noch an den Zumstein heran… Doch böiger Wind in Verbindung mit einem steilen Anstieg und der felsige Gipfelaufbau in Wolken ließen nur unsere beiden Christians den Aufstieg wagen - zum Glück kamen sie auch wieder heil unten an.

Zurück auf der Gnifetti-Hütte wurde der Ruf nach einem Ruhetag laut. Doch der Blick in die Wetter-App (Wo bekomme ich die beste Vorhersage: Alpenwetter DAV, meteoblue oder geht auch wetter.com?) überzeugte die meisten von uns, direkt am nächsten Tag zumindest das Balmenhorn anzugehen. Ob die Ludwigshöhe und der Corno Nero dann noch wie geplant möglich wären, wollten sich einige offen halten. - Ab Dienstagnacht waren Regen, Gewitter, Sturmböen angesagt.

Am Dienstag erreichten wir zügig und bei Sonnenschein das Balmenhorn, das wir schon auf dem Weg zur Signalkuppe bestaunt hatten. Bereits im Vorbeigehen konnte man die große Christus-Statue betrachten, aber am felsigen Gipfel, nach leichter Kletterei, war sie dann noch imposanter. Wir pausierten gemütlich und windstill und entschieden, Richtung Ludwigshöhe aufzubrechen, um vor dem letzten Aufschwung zu entscheiden, wer alles mit hoch geht (alle!). Beim Corno Nero angekommen, war schnell klar: das ist nur was für unsere Cracks! Ein steiler Firnhang von 55° und ausgesetzte Felskletterei ließen alle bis auf Wolfhard und Christian V. zu Zuschauern werden! Besonders beim Abstieg bestaunte ich den geschickten Einsatz des Pickels und die Trittsicherheit der beiden!

Zufrieden mit der Leistung mindestens zwei 4000er geschafft zu haben, machten wir uns an den Abstieg. An der Hütte genossen wir ein Radler und checkten mal wieder das Wetter! Der nächste Tag sollte dann wirklich ein Ruhetag werden. In der Nacht schlug das Wetter um. Statt wie sonst ab 03:30 Uhr auf den Fluren geschäftiges Treiben zu vernehmen, herrschte Totenstille – nur der Wind pfiff um die Hütte, Regen prasselte und ab und zu erhellte ein Blitz unser Lager. Im obersten von drei Betten übereinander und in der Dachschräge eigentlich ganz gemütlich…

Bei wechselhaftem, aber weitgehend trockenem Wetter „spazierten“ wir am Mittwochmorgen auf einen Cappucchino zur 150 m tiefer gelegenen Mantova-Hütte. Für den Rückweg brauchten wir dann unsere Steigeisen, da der Regen der vergangenen Nacht die Firnauflage des Garstelet-Gletschers weitgehend weggewaschen hatte, sodass blankes Eis zum Vorschein kam und die Steilflanke entsprechend rutschig war.

Den Nachmittag verbrachten wir hinter der Gnifetti-Hütte mit einer kleinen Praxiseinheit und übten das Gehen mit Steigeisen in steilem Gelände (Vertikal- und Frontalzackentechnik) und den Einsatz des Pickels. - Für den „Corno Nero“ reicht es bei mir aber noch nicht!

Am Donnerstag stiegen wir dann zur Seilbahn ab und fuhren - wie geplant – talwärts zurück nach Greyssoney/Stafal. Leider habe ich mir auf dem Weg zur Bahn meine Stöcke geschrottet, was mich etwas nervös auf den nächsten und letzten Tourentag mit 2.100 hm im Abstieg blicken ließ… Gott sei Dank hatte Wolfhard noch Gerlindes Stöcke im Auto, die unbedingt mal den Gran Paradiso sehen wollten…

Dafür mussten wir aber erst einmal gut zwei Autostunden hinter Valsavaranche in den Nationalpark Gran Paradiso fahren, um dann noch gut 700 hm zum Rifugio Vittorio Emanuele II aufzusteigen.

Leider mussten wir uns am nächsten Morgen um 5 Uhr ohne die beiden Christians auf den Weg machen (der eine mit Magen-Darm-Infekt, der andere Mitfahrer).

Den Weg durch die Felsen zu finden, erwies sich Dank der guten Vorarbeit/des Auskundschaftens von Anke und Wolfhard und Komoot von Frank als gar nicht so schwierig.

Irgendwann waren wir durch und konnten die Steigeisen anlegen, um den ersten steilen Firnaufschwung zu bewältigen. Es dauerte gar nicht lang bis wir den Gipfelaufbau des Gran Paradisos sehen konnten – aber der Weg dorthin würde noch lange dauern…

Peu à peu schraubten wir uns weiter nach oben und vergaßen auch die Pausen nicht. Mittlerweile konnte man die Menschen(massen) am felsigen Gipfel erkennen.

Wir hatten in der Hütte gesehen, dass es am Gipfel des Gran Paradisos mittlerweile eine „Einbahnstraßen-Regelung“ gibt: links herum hinauf und rechts herunter, sind dann aber prompt beim Aufstieg in die Abstiegsspur geraten. Ein Bergführer hat uns freundlich geraten, ein Stück abzuklettern und den richtigen Weg zu nehmen, was wir dann auch taten. Dabei mussten wir uns vorsichtig um dicke Felsbrocken auf schmalem Pfad herumschlängeln, um dann endlich zu den Tritteisen zu gelangen, die die letzten Meter zum Gipfel erleichterten.

Oben angekommen passten wir so gerade alle um die weiße Madonna herum, waren froh, es bis hierher geschafft zu haben, blickten aber auch schon argwöhnisch auf den felsigen und ausgesetzten Abstieg. Mittels „laufenden Seils“ und unter Nutzung der soliden und gut platzierten Haken und Sauschwänze war dies gut zu bewältigen ebenso wie der weitere Abstieg über den schneebedeckten und weitgehend spaltenlosen Gran-Paradiso-Gletscher.

Auf dem letzten Stück zur Hütte über Blockwerk kraxelnd staunten wir, wie viele Steinmännchen wir jetzt antrafen, die wir morgens bei Dunkelheit nur vereinzelt wahrgenommen hatten.

Am Rifugio machten wir noch eine ausgedehnte Pause und sammelten unser deponiertes Gepäck ein, bevor wir uns an die letzten 700 hm nach unten wagten.

Die Männer schlugen ein enormes Tempo nach unten an, bei dem ich, meine zwei Geschlechtsgenossinnen und Peter nicht mitkamen… Zum Glück hatte ich wenigstens zwei funktionierende Stöcke – meine Knie und ich sagen danke!

Nach einer guten Stunde waren dann auch wir an unserer letzten Übernachtungsstätte, dem Rifugio Tetras Lyre, im Tal angekommen. Und was erwartete uns da neben den mittlerweile gechillten Männern? Der Aperol Sprizz, von dem wir den ganzen Abstieg und auch schon Tage vorher gesprochen hatten! DANKE!

Danke auch an Wolfhard für die tolle Organisation der Tour und die fachkundige Begleitung/Sicherung während des Gipfel-Sammelns!

Mein Fazit: Sachlich gesehen habe ich in der Woche fünf 4000er-Gipfel erreicht, im Monte-Rosa leichter, am Gran Paradiso schwerer. Ich habe körperliche und psychische Grenzerfahrungen gemacht (auch beim Toilettengang auf der Gnifetti-Hütte!), aber alles in allem bleibt das Erstaunen/die Begeisterung über diese bizarre Fels- und Eiswelt, die ich aus nächster Nähe mit einer tollen Gruppe erleben durfte! 😊