Bild 8 | © Arnim Robota

Vom Jungfraujoch zum Oberaarsee (31.07.-07.08.24)

07.11.2024

Der größte Teil der „Expedition“ traf sich bereits am Abend des 30.7. nach einer Akklimatisierungswoche am Sellajoch in der Jugendherberge Interlaken: Anke, Arnim, Ioana, Kerstin, Peter, Wolfhard. Nach einem ausgiebigen Spaziergang durch das mit Touristen überschwemmte Interlaken begaben wir uns im 10-Stockbettenzimmer zur Nachtruhe, wo wir kurz vorm Einschlafen noch Andreas begrüßen konnten.

Am 31. ging es los. Auf dem Parkplatz Interlaken/Wilderswil, wo wir unsere Autos für die kommende Woche abstellten, trafen wir dann die letzten zwei Teilnehmer unserer Hochtour, Christian und Rico. Vom Parkplatz aus ging es zum Bahnhof, wo wir mit dem Zug nach Grindelwald fuhren, dann weiter mit der Kabinenbahn „Eiger-Express“, Umsteigen und Fahrt mit der Jungfraubahn durch die Eiger-Nordwand bis zur höchsten Eisenbahnstation Europas auf dem Jungfraujoch (3.454 m). Kein ganz billiges Vergnügen, aber mit grandiosen Aussichten auf Eiger-Nordwand, Eigergletscher und Jungfrau gespickt. Willkommen auf Europas Rummelplatz! Über 2 Stunden nahmen wir uns Zeit die Attraktionen wie die „Eishöhle“ zu besichtigen, die Aussicht auf dem Plateau zu genießen und Fotos zu schießen. Kurz vor 15:00 Uhr kündigte sich eine Verschlechterung des Wetters an, so dass wir uns auf den gut präparierten Weg zur Mönchsjochhütte machten. Viel mehr Zeit hätten wir uns nicht nehmen können, weil es kurz nach Ankunft in der Hütte anfing zu regnen. So nutzten wir die Zeit uns in unserem Zimmer einzurichten und bei einem Bier zusammenzusitzen.

Für den nächsten Tag war die Überschreitung des Walcherhorns (3.692 m) über Nordwestgrat bzw. Südostflanke geplant. Die Wetterprognose verhieß bis zum Mittag akzeptable Bedingungen, was sich leider nicht bestätigte, so dass wir noch auf dem Gletscher bei Regen- und einsetzendem Schneefall nach ca. 1 Stunde den Entschluss fassten umzukehren. Den Rest des Tages verbrachten wir auf der Mönchsjochhütte. Apropos Hütte: Die Mönchsjochhütte ist relativ frisch renoviert, allerdings besteht an ein paar Stellen Optimierungsbedarf: So war für die Körperhygiene lediglich ein Wasserhahn zu benutzen, aus dem das Nass nur in einem schmalen Rinnsal lief, der Waschraum wurde grundsätzlich erst ab 18:00 Uhr geöffnet und das Frühstück war eher spartanisch.

Am 2.8. war ein erstes Highlight geplant – die Besteigung des Mönchs (4.107 m). Aufstehen 5:00 Uhr, Frühstück und Anlegen der Ausrüstung. Wir kamen nach einigen Verzögerungen doch erst gegen 6:15 Uhr auf den Gletscher. In der Nacht hatte es geschneit und es war auch weiterhin sehr stürmisch. Allerdings konnten wir uns früh an dem Sonnenaufgang mit vielen, schnell durchziehenden Wolken erfreuen. Nach einer kurzen Gletscherpassage begann der Aufstieg über den Südostgrat (Normalroute) direkt mit Kletterei im Schwierigkeitsgrad 3 bis 4. Zunächst mit Hilfe von Eisenklammern im Fels über eine Steilstufe, über die uns Wolfhard sichern musste. So ging es bergauf, die Steigeisen mussten an den Füßen bleiben und das Wetter verschlechterte sich immer weiter. Die Wolken zogen in den Berg, die Sicht wurde schlechter und bei weiterhin starkem Wind begann es zu schneien. Ungefähr 150 hm unter dem Gipfel haben wir gemeinsam die Entscheidung getroffen, nicht weiter aufzusteigen und umzudrehen. Dass dies die richtige Entscheidung war, wurde durch zwei Stürze bestätigt, die zum Glück glimpflich abgingen. Wir waren wirklich froh, wieder in der Hütte zu sein.

Für den Samstag war der Übergang zur Finsteraarhornhütte geplant. In zwei Seilschaften liefen wir zuerst wieder zum Jungfraujoch, wobei die Sicht durch die tiefliegenden Wolken stark eingeschränkt war. Deshalb war es nicht einfach den Weg über den Jungfraufirn in Richtung Konkordiaplatz zu finden. Glücklicherweise verzogen sich die tiefliegenden Wolken, so dass die Sicht immer besser wurde. Der Firn war noch recht griffig, weiter unten am Konkordiaplatz dominierte aperes Eis, so dass Spalten gut erkennbar waren. Gegen 10:00 Uhr konnten wir eine Pause am Konkordiaplatz machen. Das Wetter hatte sich mittlerweile deutlich verbessert. Der Konkordiaplatz auf einer Höhe von 2.700 m stellt den Zusammenfluss von 3 Gletscherströmen dar, die sich zum großen Aletschgletscher vereinen. Welch ein grandioser Blick mit der Jungfrau im Norden bis zum Strahlhorn im Süden! Gut zu erkennen war die Konkordiahütte mit ihrer Zustiegstreppe, die jedes Jahr verlängert werden muss.

Aber wir hatten erst die Hälfte der Tour hinter uns. Der folgende Aufstieg über den Grüneggfirn mit ca. 500 hm sollte uns noch fordern. Auf der Grünhornlücke bei 3.200 m angekommen, konnten wir dann unser Ziel, die Finsteraarhornhütte jenseits des Fieschergletschers erkennen. Die verbleibende Stunde bis zur Hütte war dann leichter zu absolvieren. Allerdings war der Zustieg zur Hütte vom Fieschergletscher über weitere 100 hm noch einmal eine Herausforderung. Oben angekommen konnten wir uns endlich mit einem Radler belohnen. Mit ca. 10h und 16 km Wegstrecke mit vollem Gepäck und Steigeisen unter den Füßen war dieser Übergang die körperlich anstrengendste Etappe unserer Hochtour.

Den alpinistischen Höhepunkt der Hochtour sollte der Sonntag bringen – die Besteigung des Finsteraarhorns, mit 4274 m der höchste Gipfel der Berner Alpen. Allerdings war die Teilnehmerzahl für das Bergabenteuer bereits im Vorfeld zusammengeschmolzen. Peter und Arnim hatten sich entschlossen, den Tag als Ruhetag auf der Hütte zu verbringen, Anke, Andreas, Ioana und Kerstin wollten bis zum Hügisattel (4.088 m) aufsteigen und Christian, Rico und Wolfhard würden den Aufstieg bis zum Gipfel vornehmen. Leider lohnte sich das frühe Aufstehen um 4:00 Uhr nicht, weil der kraftraubende Aufstieg vor dem Hügisattel abgebrochen wurde. Vielleicht war der Übergang zur Finsteraarhornhütte am Tag vorher doch zu anstrengend gewesen. So konnten wir uns einen Ruhetag auf der Hütte bei strahlendem Sonnenschein mit Blick auf das Panorama der Berner Alpen über den gesamten Tag gönnen.

Der Übergang zur Oberaarjochhütte war für Montag geplant. Dazu musste wir auf dem Fieschergletscher um Finsteraarhorn und Finsteraarrothorn herumlaufen. Dazu wurde bis zum Gamligletscher bis auf 2.700 m abgestiegen, um dann wieder zum Oberaarjoch über 500 hm aufzusteigen. Es war nicht ganz einfach den Weg über den Gletscher zum Oberaarjoch zu finden, so dass wir froh waren die Oberaarjochhütte zu sehen, die wie ein Adlerhorst am Massiv des Oberaarhorns klebte. Der Zustieg zur Hütte erfolgte über eine Stahlleiter und eine Steinschlagschutzgalerie. Oben angekommen wurden wir bereits durch die Hüttenwirtin mit einem gut gekühlten Radler begrüßt. Auf Grund des guten Wetters bei wolkenlosem Himmel und der grandiosen Fernsicht konnten wir einen herrlichen Sonnenuntergang und am nächsten Morgen einen wunderbaren Sonnenaufgang genießen, im Süden waren Walliser Alpen mit dem Matterhorn zu sehen, im Westen dominierte das Finsteraarhorn und im Osten schweifte der Blick über die Bergketten des Engadin.

Am letzten Tourentag, sollten wir noch unser gemeinsames Gipfelerlebnis bekommen. Nach einem guten und reichlichen Frühstück nahmen wir mit leichtem Gepäck den Aufstieg zum Oberaarhorn (3.629 m) in Angriff. Der Aufstieg bestand größtenteils aus leichter Blockkletterei mit einem größeren Altschneefeld kurz unterm Gipfel. Am Gipfelkreuz konnten wir den herrlichen Rundumblick genießen. Dieser Gipfelmoment war sicherlich der Höhepunkt auf der gesamten Tour und entschädigte uns für die Strapazen und den Frust über abgebrochene Gipfeltouren.

Nach einem längeren Gipfelaufenthalt auf dem Oberaarhorn und Rückkehr zur Hütte, wo unser restliches Gepäck noch auf uns wartete, machten wir uns auf den Abstieg zum Oberaarsee, an dessen Ende im Berggasthof Oberaar unsere letzte Übernachtung geplant war. Der Abstieg über den Oberaargletscher und den daran anschließenden Wanderweg entlang des Oberaarsees bis zur Staumauer war unschwierig, zog sich aber in die Länge, so dass wir froh waren, am Etappenziel einige Kaltgetränke zu erhalten und - nach einer Woche - auch eine Dusche in Anspruch nehmen konnten. Einem ausgiebigen Abendessen folgte noch eine kenntnisreiche Weinverkostung durch unseren „Sommelier“ Christian und eine letzte Nacht im Bettenlager. Am nächsten ging es zurück mit Postbus und Bahn nach Interlaken, wo wir uns verabschiedeten und in unseren Autos die Rück- oder Weiterreise vornahmen.

Auch wenn wir diesmal keinen 4000er besteigen konnten, denke ich, dass unsere diesjährige Hochtour wieder ein großer Erfolg war und die Teilnahme von keinem bereut wurde. Am wichtigsten war aber, dass trotz teils widriger Bedingungen kein ernsthafter Unfall passiert ist und wir alle gesund nach Hause zurückkehren konnten. Besonderer Dank gilt unserem Wolfhard, der wieder die gesamte Planung und Organisation schulterte und der auch die Sicherung der Gruppe am Berg übernahm.

Arnim Robota